George Packer, Die Zeit:

Nach 20 Jahren des Versagens in Afghanistan und im Irak ist es geradezu schockierend zu sehen, dass Washington immer noch weiß, wie man eine Allianz zusammenhält. Biden und seine Berater handeln kompetent. Und es macht mich schon stolz, wenn Ukrainer sich für die amerikanische Hilfe bedanken. Es gibt einem das Gefühl, dass wir doch etwas in der Welt bewirken können, ohne dass es im Debakel endet. Putins Entscheidung hat ironischerweise den Niedergang der amerikanischen Macht in der Weltpolitik umgekehrt.

ZEIT ONLINE: Sie haben die Ukraine bereist, und über das intensive Gefühl der Ukrainer für ihr Land geschrieben – fast als hätten Sie dort etwas gesehen, das in den USA heute fehlt.

Packer: Ich war überrascht, einen Patriotismus vorzufinden, der nicht von oben verordnet ist. Die ukrainische Gesellschaft ist mobilisiert, aber von unten her. Und der Patriotismus, den ich da erfahren habe, richtet sich auch gegen die korrupte, autoritäre Tradition des eigenen Landes. Das hat mich mit einiger Wehmut erfüllt: Die Werte, für die die Ukraine eintritt, verfallen in Amerika. Dort versucht man gegen extreme Widerstände eine Demokratie aufbauen, während wir in den USA ihrer Zerstörung zuschauen. Darum muss, wie ich finde, die Ukraine als Modell verteidigt werden. Die Alternative zu ihrem Sieg wäre ein Terrorregime mit Konzentrationslagern und Abertausenden von Deportierten. Ich gebrauche eigentlich selten solche Begriffe, aber hier geht darum, das Böse zu stoppen. Eine nackte Machtpolitik im Dienst einer furchtbaren Ideologie nationaler Größe. Und so etwas sagt man eigentlich auch nicht, aber ich finde, da unterscheidet sich Putin nicht von Hitler.

Bookmark the permalink.