Vom Widerständler zum Biden-Unterstützer

Jörg Wimalasena, Die Zeit:

Bernie Sanders könnte unter Joe Biden als Präsident der USA Regierungsmitglied werden. Doch dafür müsste er seinen Kampf für sozialen Wandel deutlich abschwächen.

Der demokratische Senator Bernie Sanders bei einem Auftritt Ende September in Washington DC
© Nicholas Kamm/​AFP/​Getty Images

Bernie Sanders stand wie kaum ein anderer Kandidat für die Sehnsucht der amerikanischen Arbeiterschaft nach einem Aufbruch, nach sozialer Gerechtigkeit, nach mehr Arbeitnehmerrechten und einer gerechteren Verteilung des Reichtums, der sich weitgehend im oberen Prozent der Gesellschaft konzentriert. Biden steht dagegen für eine Rückkehr zum einstigen Status quo unter Barack Obama, für ein wenig mehr sozialen Ausgleich, aber keinesfalls für die progressive Agenda, für die Sanders geworben hat und mit der er in den ersten drei Vorwahlen im Frühjahr die meisten Stimmen holte.

Seit Jahrzehnten gilt er als das soziale Gewissen der US-Politik. Der unabhängige Senator aus Vermont fordert so vehement wie kein anderer einen sozialen Wandel im Land und hat mit seinen zwei Präsident­schafts­kampagnen die Demokraten dazu gedrängt, sich in ökonomischen Fragen weiter nach links zu bewegen. Mit seiner von Humanismus und Sorge um die Ärmsten im Land geprägten Politik wurde Sanders zum beliebtesten Politiker der USA.

Im Establishment der Demokraten und in weiten Teilen der liberalen Medienwelt ist Sanders dagegen seit Jahren verhasst.

Nach Hillary Clintons Wahlniederlage 2016 machte die unterlegene Kandidatin Sanders und seine vermeintlich radikalen Anhänger mit für ihre Wahlniederlage verantwortlich – obwohl dieser nach seinem eigenen Ausstieg aus dem Präsidentschaftswahlkampf unermüdlich Wahlkampf für Clinton gemacht hatte.

Mehrfach mokierte Biden sich bei TV-Auftritten über Sanders und rühmte sich: „Ich habe den Sozialisten besiegt.“ In einer gemeinsamen Kommission von Sanders- und Biden-Vertrauten zur Ausarbeitung eines neuen Parteiprogramms gab es kaum ein Entgegenkommen gegenüber dem progressiven Lager. Dennoch engagiert sich Sanders für Biden, um „den gefährlichsten Präsidenten in der modernen Geschichte unseres Landes“ endlich aus dem Amt zu befördern. Um das größere Übel Trump zu verhindern, setzt er seit Monaten alle Hebel in Bewegung, absolvierte Wahl­kampf­auftritte in New Hampshire und Michigan und zahllose Onlineveranstaltungen.

Als Arbeitsminister hätte Sanders erhebliches Mitspracherecht bei der Ausformulierung von Arbeits­rechts­bestimmungen und er könnte für sein Ressort einen erhöhten Etat aushandeln. Zwar liegt die letztendliche Verantwortung für die politischen Leitlinien immer beim Präsidenten, aber Sanders könnte als politisches Schwergewicht die in den vergangenen Jahren vergleichsweise einflusslosen Kabinettsposten aufwerten und zum Abschluss seiner politischen Karriere endlich als Regierungsmitglied dabei helfen, die desaströse Situation von Arbeitnehmern in den USA zu verbessern – sein Hauptanliegen seit Jahrzehnten.

Am Samstagnachmittag in Pennsylvania scheint es Sanders jedenfalls schwerzufallen, seiner Doppelrolle als Biden-Unterstützer und Kämpfer für den Wandel gerecht zu werden. Gegen Ende seiner Rede ruft er erst: „Lasst uns der herrschenden Klasse mitteilen, dass ihre Zeit vorbei ist!“ Und kurz darauf: „Und lasst uns Joe Biden [zum Präsidenten] wählen, um diesen Prozess der Transformation unseres Landes einzuleiten.“

Sanders und den Gewerkschaftern in Pennsylvania dürfte klar sein: Diese beiden Ziele miteinander in Einklang zu bringen, wird ziemlich schwer.

I’ve found a number of Wimalasena’s articles resoundingly clear and at the same time evidence of a sensibility wholly absent from Democratic Party-voting acquaintances in the US. I am reminded of the high school acquaintance who called me an „asshole“ and „unfriended“ me on Facebook for voting for Sanders (my having previously voted for Nader exacerbated this tension). Various other American acquaintances referred to Sanders mockingly and made him the butt of jokes. American media typically referred to his political positions as „extreme“. They used this word, „extreme“. I read a Süddeutsche Zeitung piece which quoted a woman saying Sanders was quite reasonable and she was sure many CDU members would comfortably vote for him. I have no way to begin bridging this chasm of worldviews in terms American contacts tolerate.

While reading this article I was thinking Sanders as Labor Secretary in a Biden administration might be somewhat comparable to Robert Reich under Clinton, but having thought about it I don’t believe that’s at all a good comparison. Clinton adopted some of Reich into the 1992 platform, and Reich was part of Clinton’s transition team. Whatever else you might say about them, both Bill and Hillary Clinton are bright people, read voraciously, and have shown respect for academics. Joe Biden? In the article above Wimalasena points out not only did Sanders, AOC and Co. go away completely empty-handed from talks with the Biden people, but Biden jokes „I beat the socialist.“ Wimalasena uses the phrase „die desaströse Situation von Arbeitnehmern in den USA.“ This word „desaströse“ stuck out for me partly because it reminded me of the VHS woman who cut me off three years ago when I was haltingly trying to give my opinion of the social and political fabric of the US. „Katastrophal“ she’d agreed. It is katastrophal.

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