Man macht sich heute meist nicht mehr klar, wie schwer den Deutschen in den fünfziger und sechziger Jahren der Verzicht auf Schlesien, Ostbrandenburg, Hinterpommern und Ostpreußen fiel. Die Zwangsaussiedlung als nicht revidierbare Tatsache anzu­er­kennen, war schwer möglich. Im öffent­lichen Bewusstsein prangte das Bild eines Deutschland in den »Grenzen von 1937«, also bevor das »Dritte Reich« mit seiner expansionis­tischen Politik begann. Gegen­über der westdeutschen Bevölkerung machten die Politiker nicht hinreichend klar, dass diese Grenzverläufe nur die völker­recht­liche Ausgangsposition darstellten und dass man nicht ernsthaft erwarten durfte, die Gebiete östlich von Oder und Neiße in einem späteren Friedens­vertrag von Polen oder der Sowjetunion ganz oder über­wiegend zurück­zuerhalten. Auch die SPD folgte dem bundesdeutschen Mainstream des »Dreigeteilt niemals!« Allerdings machten manche führenden Sozialdemokraten schon damals keinen Hehl daraus, mit Polen auf irgendeinen Kompromiss in der Grenzfrage zusteuern zu müssen.

—Peter Brandt, Mit anderen Augen, (Bonn: Verlag J.H.W. Dietz Nachf. GmbH, 2013), 202‑203.

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