Im besten Fall Naivität, im schlimmsten Fall zynische Propaganda

Heike Buchter, Die Zeit:

Für Amerikas Kritiker tritt durch die Corona-Krise und die Protestbewegung der Schwarzen daher nur offen zutage, was sie schon lange zu wissen glauben: dass der American Dream im besten Fall Naivität, im schlimmsten Fall zynische Propaganda ist. Doch das verkennt, dass der so oft geschmähte und noch öfter totgesagte American Dream ein wichtiges einendes Element für eine Nation darstellt, die keine gemeinsame Religion und nur bedingt eine gemeinsame Kultur und Sprache kennt. Eine solche Vision fehlt etwa der EU. Gegründet als Wirtschaftsgemeinschaft, droht der bürokratisch zusammengehaltene Staaten­bund bei jeder Krise aus­einander­zufallen. Darauf, dass jeder die gleichen Chancen auf Lebensglück und Wohlstand haben soll – auf dieses Ziel konnten sich die US-Amerikaner bis heute immer einigen.

Bei dem Streit, der jetzt ausgebrochen ist, geht es nicht zuletzt darum, wer ihn träumen darf. Trump verspricht ihn nur noch den­jenigen, die für ihn als wahre US-Amerikaner gelten. Wenn die Nation jedoch ihren Glauben an den American Dream für alle verliert, dann wird es sehr schwer sein, das zerrissene Land wieder zu einen. Und ohne eine gemeinsame Grundlage werden die notwendigen Reformen nicht möglich sein.

Ben Schott, Bloomberg:

‘E Pluribus Unum’ Is a Cruel Mirage
A comparison with global development indicators suggests that Americans of different races inhabit all but separate countries.

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